Perspektivenwechsel: Führung als Mission
Peter Roos im Interview mit André M. Beier
von HiddenCandidates
Eine Vision dient als Leitbild und Orientierungshilfe für ein Unternehmen, indem sie eine klare Vorstellung davon vermittelt, wo das Unternehmen in Zukunft stehen möchte. Eine Mission definiert die Zwecke und Werte eines Unternehmens und beschreibt, wie das Unternehmen diese Ziele erreichen will.
Mit Peter Roos, COO eines Medienunternehmens und Buchautor, habe ich ein Interview zur Mission Leadership geführt. Wir sprachen über die täglichen Herausforderungen einer Führungskraft und was es bedeutet, die eigene Mission umzusetzen:
Was macht den Erfolg von Spitzenmanagern aus?
Klassische Karriereeigenschaften wie Fleiß, Wille und Intelligenz spielen eine Rolle. Auch eine hohe Fachkompetenz ist wichtig. Dazu Entscheidungsfreude, Stil, exzellente Rhetorik und Begeisterungsfähigkeit. Mit einem Aber: Diese Attribute sind zwar wichtig, aber eben nicht entscheidend.
Sondern?
Heutzutage sind vor allem Managerinnen und Manager gefragt, die gut mit Menschen umgehen können. Das klingt zunächst lapidar, ist es aber nicht.
Die 90er Jahre und die erste Dekade der 2000er Jahre haben einen sehr nüchternen, KPI-getriebenen und zahlenorientierten Manager-Typus hervorgebracht, der weiter aufweichen wird. Die Tendenz dazu zeigt sich seit etwa 10 Jahren.
Dazu kommt, dass klassische Kenntnisse der BWL, analytisches und fachliches Know-how mehr und mehr von Maschinen und KI übernommen werden.
Das bedeutet im Umkehrschluss, Spitzenmanagerinnen und -manager müssen sich um die „Humanisierung“ von Unternehmen und Organisationen und um mehr Menschenorientierung im Businessalltag kümmern.
Was heißt das genau?
Meines Erachtens sind dafür drei Dinge entscheidend:
Erstens: Die Offenheit gegenüber Mitmenschen. Manche Führungskräfte bringen fachlich alles mit – aber scheitern am Sozialen. Achtsamkeit, Empathie, Zugewandtheit, all das ist extrem wichtig.
Zweitens: Die Beziehungsintelligenz. Damit gemeint ist die Fähigkeit, spürbare und vor allem wertschätzende und vertrauensvolle Verbundenheit mit Mitarbeitenden, Kunden und Gesellschaft herzustellen, also Menschen und Organisationen zusammen und lebendig zu halten.
Und Drittens: Spitzenmanager müssen Ungewissheit gut aushalten können und sich in Krisen pudelwohl fühlen. Droht dem Unternehmen Unheil oder Gefahr braucht es Chefinnen und Chefs, die ihren Mitarbeitenden Halt, Orientierung und Zuversicht geben können.
Spielt bei dem Wirken eines CEOs auch Glück eine Rolle?
Vermutlich wird kaum ein Topmanager, der einigermaßen reflektiert ist, abstreiten, dass es für unternehmerischen Erfolg wie für Karriereerfolg auch Glück braucht.
Aber – und das ist meine These: Wenn jemand in herausragender Position immer nur Glück zu haben scheint, steckt vermutlich auch ganz viel Können dahinter.
Und dieses Können besteht bei erfolgreichen CEOs darin, Elemente des Glücks und des Zufalls für sich nutzbar zu machen.
Was bedeutet das konkret?
Nun, um das zu erklären, bediene ich mich gerne eines Zitats des Philosophen Seneca. Es lautet: „Glück ist, was passiert, wenn Vorbereitung auf Gelegenheit trifft.“
Vorbereitung oder der sogenannte „vorbereitete Geist“ ist ein Mindset, das uns dafür öffnet, glückliche Umstände oder zufällige Zusammenhänge zu erkennen.
Es bildet sich bei Führungskräften durch positive Emotionen und eine von Grund auf optimistische und vor allem reflektierte Grundhaltung, insbesondere sich selbst gegenüber.
Und was das zweite Glückselement – die Gelegenheit – betrifft, ist empirisch belegt, dass Glück jene Menschen begünstigt, die über eine hohe Beziehungskompetenz und ein großes Netzwerk verfügen und dadurch viele Anknüpfungspunkte und Kontaktgelegenheiten haben – eine wichtige Voraussetzung für das Entstehen vermeintlich glücklicher Zufälle.
Um es auf den Punkt zu bringen: Stets mit dem Unberechenbaren zu rechnen, und zufällige Gelegenheiten für sich nutzen zu können spielt beim Wirken eines CEOs definitiv eine Rolle. Leistung und Glück zu kombinieren, ist Chefsache und das „Glücks-Mindset“ daher eine wichtige Führungskompetenz.
Kann Coaching helfen, um die Lösungen in sich und in dem Unternehmen zu finden?
Definitiv! Niemand wird das Leadership-Gen einfach so mit in die Wiege gelegt und keiner kommt als perfekter Manager auf die Welt.
Ich bin das beste Beispiel dafür: Es gab Momente in meinem Berufsleben, wo ich mit meinem Manager-Latein einfach am Ende war. Rückblickend würde ich sagen: Ich war zwar für die sachorientierten, berufstypischen Anforderungen gut gerüstet, nicht aber für die menschenbezogene Seite meiner Managementrolle.
Über die Arbeit mit einem Coach habe ich dann eine anscheinend lapidare aber für mich damals enorm wichtige Erkenntnis gewonnen: Wer sich selbst nicht kennt und führt, wird niemals andere führen können.
Die Arbeit mit einem Coach hat mir auf allen Ebenen weitergeholfen: Beruflich, privat in der Familie und vor allem im Umgang mit mir selbst. Und weil ich davon so überzeugt war, habe ich einige Jahre später selbst eine Ausbildung zum Business-Coach gemacht.
Übrigens: Coaching-affine Managerinnen und Manager fördern nicht nur ihre eigene Karriere, sondern sind auch bestens gerüstet, um zum Coach und Förderer ihrer Mitarbeitenden zu werden. Davon profitieren nicht zuletzt auch die Unternehmen in besonderem Maße.
Insofern steht für mich außer Frage: Coaching hilft und wirkt! Mit einem Coach lassen sich Ziele erreichen, die zuvor als übergroß und schier unbewältigbar erschienen.
Peter Roos, vielen Dank für das Interview und diese wertvollen Einsichten, die in deinem neuen Buch „Mission Leadership“ ausführlich dargestellt werden.