Titel sind wie Schall und Rauch!? Ein Kommentar von
Peter Roos zur Titelinflation in Unternehmen
Titelitis, Titelsucht oder „Wiener Titelwalzer,“ solche Begriffe liest man meistens, wenn es um die Frage der Angemessenheit von Beförderungen und Ernennungen oder um die facettenreiche Kreation neuer Positions- oder Funktionsbeschreibungen geht. In der Tat, über den eigentlichen Sinn und Zweck von Titeln kann man trefflich debattieren.
Titel können hilfreich und gut sein. Sie sollten nämlich vor allem dafür da sein, um ein Unternehmen oder eine Organisation in ihrem Aufbau logisch und nachvollziehbar abzubilden. Insbesondere Mitarbeitende bekommen so Orientierung und eine klare Zuordnung zu „ihren“ Vorgesetzten = Titelträger. In aller Regel werden über Titel auch wichtige Kompetenzmerkmale, Erfahrungslevels und der Grad der Verantwortungsübernahme einer Person transportiert.
Aber: Ja, Titel sind wie Schall und Rauch! Und manchmal wird schon auch hoch-ge“titelt“ wo es sich nur um einen Beruhigungs-Posten handelt. Kritisch wird es immer dann, wenn von einer Führungskraft die mit dem Titel verbundene Erwartungshaltung aus Sicht des Teams nicht erfüllt wird.
Oft findet sich der Grund dafür in einer regelrechten Titel-Inflation in den Unternehmen. Ich habe die Beobachtung gemacht, dass dies viel über die Firma als solches und ihre Unternehmenskultur aussagt: Oft wird nämlich versucht fehlende Substanz mit einem Zuviel an Titel-Kreativität wettzumachen.
Das Ergebnis: Mehr Schein als Sein, nicht nur für das betreffende Unternehmen, sondern auch für diejenigen, die diese Titel innehaben. Vor allem Letztere tun sich damit keinen Gefallen, denn es macht sie zu unglaubwürdigen Führungskräften.
Beispiele gefällig?
- Was nützt einer Person der Titel „Head of“, wenn sie oder er Einzelkämpfer in einer Abteilung ist?
- Wie relevant ist der Titel „Team-Lead“, wenn das betreffende Team aus zwei Praktikanten besteht?
- Und was nützt dem „Geschäftsführer“ oder „Geschäftsleiter“ der Titel, wenn es nichts zu führen bzw. zu leiten gibt und sie oder er in der betreffenden Position keine Befugnisse und Entscheidungskompetenzen eingeräumt bekommen hat?
Titel verkommen so zum Papiertiger – ihr eigentlicher Zweck läuft ins Leere.
Vorsicht also, liebe Chefs und HRler, bei der Titelvergabe! Menschen haben nämlich ein gutes Gespür dafür, wer in der Lage ist sie zu führen – und zwar unabhängig vom Titel und oft auch unabhängig von der hierarchischen Stellung im Unternehmen. Idealerweise gehen Titelkompetenz und Führungskompetenz immer Hand in Hand.
Mein Fazit:
- Niemals darf ein fancy Titel nur dem Zeitgeist oder Wohlgefallen an der eigenen Modernität dienen.
- Führungskräfte müssen Tag für Tag mit gutem Beispiel vorangehen und das einlösen, was ihr Titel verspricht. Denn „führen“ bedeutet vor allem Verantwortungsübernahme für die Menschen im Unternehmen und deren Familien zu Hause.
- Offenheit gegenüber Menschen bzw. eine humane, menschenorientierte und wertschätzende Unternehmensführung und die Fähigkeit zur Entfaltung beziehungs- und verhaltensbezogener Fähigkeitsmerkmale zeugen von wahrer Führungskompetenz.
Nur das macht einen erfolgreichen Leader aus, nicht sein Titel. Oder?